Der Vorstand im Fokus

Wenn die Projektion von Hommage 2021 vom 6. bis 13. August auf dem Bundesplatz erstrahlt, ist dies nicht nur der Verdienst des künstlerischen und administrativen Teams, der Sponsor*innen und beteiligten Institutionen, sondern auch des Vereinsvorstands, der das Projekt seit Anbeginn mitträgt. Wir haben zwei Mitglieder zu ihrem Engagement für Hommage 2021, zur politischen Situation der Frau und zu ihren persönlichen Vorbildern befragt: Vorstandspräsidentin und Ständerätin Marina Carobbio (TI) und Nationalrätin Léonore Porchet (VD).


«Die Erfahrung zeigt, dass wir gemeinsam stark sind»: Marina Carobbio, Vorstandspräsidentin von Hommage 2021 und Ständerätin (SP/TI):

1. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie zum ersten Mal vom Projekt Hommage 2021 gehört haben?

Ich wurde direkt von Liliana Heimberg kontaktiert, der künstlerischen Leiterin des Projekts. Ich hatte schon von ihr gehört, da sie auch die die künstlerische Leitung der Produktion zum 100-Jahr-Jubiläum des Landesstreiks innehatte. Von Anfang an hat mich fasziniert, dass wir die vielen wenig bekannten Frauen, die für unsere Rechte gekämpft haben, mit Blick auf die Zukunft würdigen. Zudem erschien mir die nationale und mehrsprachige Dimension des Projekts interessant: Hommage 2021 richtet sich an die ganze Schweiz, in den vier Landessprachen, Menschen aus der ganzen Schweiz arbeiten mit. Das Projekt geht also von einem historischen Beitrag aus, der für unsere Gegenwart unverzichtbar ist, und will alle Schweizer Bürgerinnen und Bürger in einer Zukunft des Zusammenhalts vereinen.

2. Welches sind Ihre Aufgaben als Vorstandspräsidentin?

Hommage 2021 ist eine kleine Organisation für eine grosse Idee! Als Präsidentin des Vorstands leite ich Komiteesitzungen, segne Fundraising-Dokumente und Partnerverträge ab und führe regelmässig Gespräche mit Liliana Heimberg und der Produktionsleiterin Marie Theres Langenstein. Zudem repräsentiere ich Hommage 2021 nach aussen und gegenüber denjenigen, die uns unterstützen.

3. Sie engagieren sich stark für Frauenanliegen, politisch, aber auch ganz konkret im Alltag. So haben Sie beispielsweise das Stillzimmer im Bundeshaus eingerichtet. Was sind aktuell die grössten Hürden, die Schweizerinnen zu nehmen haben?

In diesem Jahr feiern wir einen wichtigen Meilenstein, aber es gibt leider immer noch viele Herausforderungen, mit denen Frauen in der Schweiz tagtäglich konfrontiert sind. Ich denke dabei an das Ziel der effektiven Lohngleichheit, aber auch an die Gewalt gegen Frauen, an Femizid und Sexismus. Es ist noch ein langer Weg zu gehen, bis Frauen tatsächlich die gleichen Rechte wie Männer haben. Während meiner Präsidentschaft im Nationalrat (2018-2019) habe ich mich für die Gleichstellung von Frauen und Männern eingesetzt. Dies ist ein notwendiger Schritt für die Demokratie. Neben dem Stillzimmer im Bundeshaus hatte ich die Möglichkeit, Frauentreffen zu organisieren und beschloss, die Nationalratssitzung während des Frauenstreiks 2019 kurz zu unterbrechen, gemeinsam mit vielen solidarischen Frauen und Männern. Der Frauenstreik zeigte, dass die Schwierigkeiten der Frauen in unserer Gesellschaft real sind und von einer grossen Anzahl von Menschen wahrgenommen werden.

4. Hommage 2021 blickt zurück auf Pionierinnen. Wie kann die Vergangenheit den Frauen für die Zukunft helfen?

Die Erfahrung zeigt, dass wir gemeinsam stark sind. Das ist nicht nur eine Redewendung. Schon in der Vergangenheit haben sich Frauen in Netzwerken zusammengetan, um ihre Forderungen durchzusetzen. Ein Beispiel ist sicherlich die Forderung nach dem Stimm- und Wahlrecht für Frauen. Ich glaube, dass dies auch jetzt und in Zukunft der Weg nach vorne sein muss. Wir müssen uns zusammenschliessen, Frauen und Männer, um die Achtung unserer Rechte zu fordern. Nur so werden wir gehört.

5. Welche Frau oder Frauen (oder auch Männer) haben Sie in Ihrem persönlichen Umfeld in Frauenfragen geprägt?

Zunächst einmal meine Mutter, eine Hausfrau, die in der feministischen Bewegung der 70er- und 80er-Jahre aktiv war und schon damals für die Anerkennung von Care-Arbeit gekämpft hat. In der Küche hatte meine Mutter ein Plakat aufgehängt, auf dem die Stunden für die Hausarbeit angegeben waren und wie hoch diese honoriert werden sollten. Dann war da Ruth Dreifuss, die ich als Bundesrätin kennenlernen durfte und die sich immer für die Rechte der Frauen eingesetzt hat. Und natürlich all die Frauen, die ich in Wirtschaft und Politik kennengelernt habe, die täglich Beruf und Familie unter einen Hut bringen.

6. Wenn man die Situation der Frauen weltweit betrachtet, sieht man, dass die Hürden auf dem Weg zur Gleichberechtigung teils noch kilometer-hoch sind. Wo nehmen Sie persönlich immer wieder die Energie her, um tagtäglich für eine bessere Situation zu kämpfen?

Aus dem Bewusstsein heraus, dass auch kleine Schritte ein Schritt nach vorne sind. Auch um das Stimm- und Wahlrecht zu erhalten, mussten die Frauen lange kämpfen und sich ihrem Ziel schrittweise nähern. Trotz der vielen Errungenschaften, die die feministische Bewegung in der Schweiz und auf der ganzen Welt erreicht hat, gibt es noch viel zu tun. Der Frauenstreik 2019 hat uns gezeigt, dass Frauen aller Altersgruppen den Kampf weiterführen. Zudem stellt die neue Generation von Feministinnen auch neue Forderungen. Es geht nicht nur um Gleichberechtigung, sondern zum Beispiel auch um die Beseitigung des Sexismus, der in der Schweizer Gesellschaft herrscht. Neue und alte Generationen vereinen sich in feministischen Bewegungen, damit die Bedürfnisse aller respektiert und garantiert werden. Auch meine 17-jährige Tochter kämpft für Gleichberechtigung und eine gerechtere und integrativere Gesellschaft. An ihrer Seite zu kämpfen, gibt mir die Kraft und Motivation, mich den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu stellen.

7. Glauben Sie, dass Hommage 2021 etwas zu mehr Gleichberechtigung beitragen kann?

Ich denke schon. Die Begeisterung rund um Hommage 2021 ist gross. Das haben wir zum Beispiel bei der Beteiligung der Schulen an der Auswahl der Porträts von Schweizer Frauen gesehen. Die Projektion auf dem Bundesplatz im August wird ein zentrales Element sein, um das Leben und die Kämpfe der Schweizer Frauen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, deren Engagement uns eine gleichberechtigtere Gesellschaft ermöglicht hat. Nur wenn wir die Menschen über die Vergangenheit aufklären, können wir vermeiden, dass wir die Rechte, die wir jetzt geniessen, als selbstverständlich ansehen – und aufzeigen, dass der Weg zur Gleichberechtigung nicht zu Ende ist. Die Frauen der Vergangenheit sind eine Quelle der Inspiration und Kraft für die Kämpfe der Gegenwart.


«Es ist eine Pflicht, sich zu erinnern»: Léonore Porchet, Vorstandsmitglied et Conseillère nationale (Verte / VD):

1. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie zum ersten Mal vom Projekt Hommage 2021 gehört haben?

Kultur und das Feiern von Frauenrechten miteinander verbinden? Was für eine schöne Idee!

2. Sie engagieren sich stark für Frauenanliegen, politisch, aber auch ganz konkret im Alltag. Was sind aktuell die grössten Hürden, die Schweizerinnen zu nehmen haben?

Da gibt es viele! Diskriminierung, Gewalt, Ungleichheit, Armut, psychische, häusliche, sexuelle und emotionale Belästigungen...

3. Hommage 2021 blickt zurück auf Pionierinnen. Wie kann die Vergangenheit den Frauen für die Zukunft helfen?

Es ist vor allem eine Pflicht, sich zu erinnern und zu wissen, dass es in der Schweiz möglich ist, zahlreiche Frauen zu mobilisieren, um Rechte einzufordern. Und dies mit viel Mut, Hartnäckigkeit und Erfindungsreichtum.

4. Welche Frau oder Frauen (oder auch Männer) haben Sie in Ihrem persönlichen Umfeld in Frauenfragen geprägt?

Zuerst meine Mutter, die allen Diskriminierungen, die man sich vorstellen kann, ausgesetzt war und mich vor dem gleichen Schicksal bewahren wollte. Und natürlich meine aktivistischen Schwestern, die sich etwa für die Abtreibungsabstimmung 2014 oder für den Frauenstreik engagiert haben.

5. Wenn man die Situation der Frauen weltweit betrachtet, sieht man, dass die Hürden auf dem Weg zur Gleichberechtigung teils noch kilometer-hoch sind. Wo nehmen Sie persönlich immer wieder die Energie her, um tagtäglich für eine bessere Situation zu kämpfen?

Mit motiviert die Bekämpfung jeglicher Ungerechtigkeit, das ist eine unbändige Kraft in mir. Aber es ist wie im Elitesport, der jeden Tag Training und Erholung erfordert.

6. Glauben Sie, dass Hommage 2021 etwas zu mehr Gleichberechtigung beitragen kann?

Unbedingt! Die Geschichte der Frauen in der Schweiz zu erzählen, bedeutet, eine Vision unseres Landes anzubieten, die nicht nur durch den männlichen Blick geprägt ist. So können wir Aktivistinnen von heute und morgen Vorbilder bieten.


Der Vorstand des Vereins Hommage 2021 setzt sich aus fünf Mitgliedern zusammen. Neben Marina Carobbio und Léonore Porchet sind dies die Stadträtin Laura Binz (Be, SP), die Nationalrätin Marie-France Roth Pasquier (FR, CVP) und der ehemalige Ständerat Raphaël Comte (NE, FDP).

Bild Newsletter Mai

Marina Carobbio und Léonore Porchet