Letzte Vorbereitungen

Dichtes Schneegestöber, die Strassen in der unteren Altstadt von Bern sind durch Corona beruhigt, nur der Leiter des Schliesstechnikgeschäfts an der Münstergasse schaut noch die Bestellungen durch. Er beobachtet unser emsiges Treiben: Wir kleben erstmals eines der 52 Porträts an die Hauswand: Anna Tumarkin, die erste Professorin in Bern. Gespannt warten wir auf die Wirkung. Das Bild hebt sich gut ab, erscheint erstaunlich plastisch und auch die satte Farbe mit den Lebensdaten stimmt auf Anhieb mit dem angedunkelten Sandstein zusammen. Dennoch diskutieren wir alle vorgeschlagenen Farbschattierungen – Kontrast, Sichtbarkeit, Kompatibilität mit den diversen Farben des Sandsteins und der weissen Hauswände – um am Schluss wieder auf den ersten Vorschlag zurückzukommen. Wie so oft.

Einer der wenigen Passanten an diesem Nachmittag wagt sich in die Nähe: Nein, er kennt sie nicht. Anna Tumarkin ist gestorben, als er sieben Jahre alt war. Er schlägt vor, das Porträt gleich dort zu lassen. «Wenigstens mal etwas anderes. Das ist schön» meint er, bevor er weitergeht. Auch die Trägerfolie hält ohne viel weiteres Zutun. Es ist eine Spezialfolie, die den feinen Sandstein nicht schädigt. Der Denkmalpfleger hat sie für gut befunden und seine Einwilligung gegeben. Ebenso die Hauseigentümer*innen, die unserer Ausstellung nun ein Gastrecht gewähren.

Unter den Lauben der Burgerbibliothek legen wir alle Porträts nochmals aus, um die richtige Reihenfolge zu finden – Blickrichtung der Frauen, Ausdruck, Ansprache des Publikums. Die Vorbereitung im Homeoffice mit einer Auslegeordnung auf dem Zimmerboden geht auf. Wir hatten uns in mehreren Durchgängen die Hausfassaden gemerkt. Wer Kunst draussen macht, weiss, wie sehr die Umgebung als Akteur mitspielt und den künstlerischen Gedanken seine Regeln auferlegt: Gerne hätten wir vielleicht noch andere Hausfassaden für die Ausstellung erhalten, aber es geht gerade auf; der QR-Code zum Reinhören in die eingelesenen Zitate der Frauen ist zu breit, er wird reduziert. Und was machen wir mit langen Vor- und Nachnamen? Die Abstände zwischen den Fenstern des ersten Stockwerks haben nicht auf Doppel- und Dreifachnamen gewartet. Aber: Wenn wir einen Kanton austauschen, dann passt das Porträt. Nun noch eine Fotorunde, um die genaue Höhe der Porträts zu bestimmen, dann wird sie geklebt, die ganze Ausstellung in einem Tag.

Über 600 Personen werden an ihr mitgearbeitet haben, wenn sie erscheint: 39 Historikerinnen, Kulturwissenschaftler*innen und Soziologinnen haben eine erste Auswahl für ihren Kanton getroffen, 400 Schüler*innen haben die Frauen für die Ausstellung ausgewählt, 40 Lehrpersonen haben sich engagiert; Familien, Archive und Fotograf*innen haben Bilder aus diversen Nachlässen herausgesucht, Politiker*innen, Expert*innen des Polizeiinspektorats und Hausbesitzer*innen die Bewilligung gegeben; Produktionsteam, Grafiker, Drucker die Porträts umgesetzt, Kommunikationsverantwortliche darüber geschrieben. Es ist eine Ausstellung geworden mit einer etwas anderen Auswahl. Eine Ausstellung, geprägt von regionaler Sicht und dem Denken junger Leute. Zu sehen sind bekannte, aber auch weniger bekannte Frauen aus der ganzen Schweiz, die hier erstmals eine Plattform erhalten und für ihren Mut und ihren Einsatz gewürdigt werden.

Die Eröffnung wird – aus bekannten Gründen – leise vor sich gehen. Die Ausstellung lädt ein zum Flanieren, zum individuellen Besuch und Reinhören in die Zitate hinter dem QR-Code. Die Ausstellung von Hommage 2021 ist ein Stück zugänglicher Kultur in kultur-armen Zeiten. LH

Ausstellung: 7. Februar bis 30. Juni 2021

Bf350c17 1511 4325 8f5d be93669b8ddd

Werner Feller von sowas in Biberist bringt die Porträts an den Häusern der unteren Altstadt in Bern an.