Mal minimal, mal kräftig: Klänge für Hommage 2021

Der rote Cellokasten steht offen im Eingang, die Violine und Bratsche liegen beide im gleichen Koffer nebeneinander versorgt auf dem Stuhl gegenüber. Bettina Macher, Mirjam Tschopp, Walter Rohrbach: Es ist das erste Mal, dass die drei Künstler*innen miteinander arbeiten. Hommage 2021 hat sie zusammengebracht.

Vom 6. bis 13. August 2021 wird die Panorama-Projektion, wenn es die Pandemie zulässt, auf dem Bundesplatz zu sehen sein. Damit bis dann nicht nur die Bild-, sondern auch die Tonebene steht, sind die Macherinnen und Macher derzeit intensiv mit der entsprechenden Produktion beschäftigt: musikalische Motive, der Verlauf der Musik über neunzehneinhalb Minuten Dauer, das Verhältnis von Musik und Geräuschen, Originalaufnahmen und Text – alles wird perfekt aufeinander abgestimmt. Nach Ostern kamen Bettina Macher, Cellistin mit breiter Konzerttätigkeit, und Mirjam Tschopp, Geigerin und Bratschistin auf zahlreichen Bühnen des In- und Auslandes mit Lehrverpflichtung in Wien, im Studio des Sounddesigners Walter Rohrbach zusammen.

«Natürlich ist mir wichtig, was die Regie sagt, wenn ich beginne, an der Tonebene für einen Film zu arbeiten. Ich produziere enorm viel Abfall, bis ich zu Motiven und zur Musik finde, die zu einem Projekt passen.» Walter Rohrbach hat für Hommage 2021 eine dichte und dennoch sehr einprägsame Tonebene aus mehrfachen Überlagerungen von Geräuschen und elektronischen Elementen und instrumental eingespielten Sequenzen entwickelt. «Die Projektion ist kein Film, in dem meist auf naturalistische Art und Weise eine durchgehende Geschichte erzählt wird. Die Bilderfolge von Hommage 2021 stellt eine besondere Herausforderung dar, weil sie als Collage aus Bildmaterial an die Musik vielfältigere und wechselnde Aufgaben stellt.»

Walter Rohrbach gestaltet mit der Tonebene die Aussage des gesamten Projekts, aber auch der Einzelteile mit. Er bringt Elemente mit ein, die das Bild nicht einfach illustrieren, sondern dessen Bedeutung erst zur Geltung bringen. Da geht es in der Projektion etwa um eine einfache Fotofolge mit den enormen Leistungen der Schweizerinnen während des 2. Weltkriegs an den Stellen in den Dörfern, Städten, in den Industriebetrieben und Bauernhöfen, die durch die Mobilisation der Männer verwaist waren, aber auch im Dienst der Verteidigung des Landes. Der serielle Charakter der Musik reflektiert den steten und unentwegten Einsatz der Frauen für die Gesellschaft. Der harte Tonansatz der beiden Musikerinnen mit dem Anreissen der Saiten weckt unwillkürlich Assoziationen zur Anstrengung der Frauen und zu den rauen Lebensbedingungen damals.

Im Tonstudio geht der Humor indes nicht verloren: «Wenn es nach Corona mit der Musik nicht klappt, kann ich es ja noch immer als Maschine versuchen», resümiert die Bratschistin lachend nach dem 11. Durchgang für die Aufnahme. Es sind zahlreiche Feinheiten in dieser Minimal-Musik, die alle berücksichtigt sein wollen. Vorher gibt in dieser Runde niemand auf.

Mit Bettina Macher und Mirjam Tschopp sitzt ein eingespieltes Team vor den Mikrophonen des Tonstudios. Sie haben sich überzeugen lassen, bei dieser Produktion mitzuwirken, weil sie die Geschichte der Frauen unterstützen wollen und weil sie es schätzen, dass sie von Fachleuten getragen wird. Die Arbeit im Studio ist nach zahlreichen coronabedingten Konzertabsagen eine Möglichkeit, gemeinsam zu Musizieren: in Kleinstformation und in Masken wohlverstanden. «Wann kommst Du schon dazu, ein ganzes Orchester zu spielen, wir sind sonst einfach immer nur eine Stimme unter vielen», finden die beiden Musikerinnen übereinstimmend.

Die gesamte Musik der neunzehneinhalb Minuten steht in den Noten, aber da ist auch Platz für musikalische Interpretation, zum Beispiel in der Komposition von Adele Bloesch-Stöcker, einem der musikalischen Zeitzeugnisse im Rahmen der Projektion. 1928 war die Violinistin musikalische Leiterin der SAFFA in Bern. Sie dirigierte das mächtige SAFFA-Frauenorchester und hat damit zum riesigen Erfolg dieser ersten Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit beigetragen. Ihr Walzer erinnert an vielen Stellen ganz direkt an berühmte Wiener Vorbilder. Wir entscheiden uns für die Tonaufnahmen jedoch nicht für die Betonung des berühmten Schmäh, sondern arbeiten den Aufbruch, den Schwung und die Energie heraus, die der unerwartete Erfolg den Frauen verschafft hat. Er ist in dieser Musik ebenso vorhanden.

Die beiden Musikerinnen spielen beide voll auf Risiko. Die Musik der Projektion soll so lebendig sein wie in guten Konzerten. Immer wieder überprüfen sie mit ihren Kopfhörern Intonation und Klangbalance der eigenen eingespielten Versionen, damit am Ende alles zusammenpasst. «Jetzt hören wir noch einmal in eine Aufnahme von gestern hinein, mit der wir nicht ganz zufrieden waren», sagt Bettina Macher. Es ist bereits Abend, nach einem langen Aufnahmetag. Präzisionsarbeit also auch auf der musikalischen Ebene für die Schweizer Frauen, denen wir so viel verdanken und die wir mit Hommage 2021 ehren wollen.

Zürich, 18.April 2021/LH

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Mirjam Tschopp und Bettina Macher

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Walter Rohrbach