Vergessene Pionierinnen: Erkenntnisse aus den Biografien von Hommage 2021

Dass die Porträts der Frauen, die sich für Ihre Rechte stark gemacht haben, auf der Webseite von Hommage 2021 dreisprachig nachzulesen sind, haben wir dem Übersetzungsteam des Historischen Lexikons der Schweiz zu verdanken. Die Fakten wurden mehrfach überprüft, die Inhalte in den verschiedenen Sprachversionen sorgfältig aufeinander abgestimmt und der Stil der Autorin des Textes wurde soweit möglich beibehalten. Die porträtierten Frauen verdienen diese Umsicht allemal. Kein elektronisches Tool könnte jemals eine solche Verdichtung und Genauigkeit erzielen.

180 Porträts von Pionierinnen aus allen Kantonen werden am 7. Februar 2021 vorliegen, wenn die Ausstellung in der unteren Altstadt von Bern eröffnet wird. Eine einzigartige Sammlung mit Lebensgeschichten von Schweizerinnen, die es so vorher nicht gegeben hat. Was gibt es zu entdecken? Was ist den Übersetzerinnen und Übersetzern, diesen ersten sehr genauen Leserinnen und Lesern der Kurzbiografien, aufgefallen?

«Zunächst einmal überrascht die Vielfalt der Biografien», sind sich Christina Müller, Francesca Mariani und Laurence Margairaz einig. «Es gibt Frauen in der Bildung, ebenso wie die Flugpionierin, die Wirtin, die Wissenschaftlerin, die Künstlerin, die Politikerinnen. Frauen in Finanz und Wirtschaft sind seltener». Berührt haben die Individualität, die Kraft jeder einzelnen Frau, aus vorgegebenen Rollenerwartungen auszuscheren. Sei es, dass ein Auslandsaufenthalt, in England etwa, nicht die erwartete elegante Konversationsfähigkeit der zukünftigen Ehefrauen in bürgerlichen Kreisen mit sich brachte, sondern die junge Frau politisiert hat. Oder dass Frauen sich trotz geringer Schulbildung mit eigener Lektüre bis zur gefragten Rednerin vor grossem Publikum geschult haben. Nicht selten übernahmen Frauen nach Schicksalsschlägen, etwa dem Tod des Ehemanns, dessen Geschäft und brachten es zur Blüte. Begabte Frauen wurden aber auch unsichtbar, verschwanden hinter ihrem Werk, wie die Autorin Selina Chönz hinter dem «Schellenursli», oder verblassten einfach in der Erinnerung. «Sogar Frauen wie Leny Bider, die Flugpionierin. Als ihr Bruder starb, ebenfalls ein Pilot, blieb er bekannt und wurde mit Strassennamen geehrt. Sie hingegen? Wer kennt ihren Namen?» Und «drohte bis weit ins 20. Jahrhundert nach der Heirat für Frauen ein Bruch in der beruflichen Karriere, so setzt sich das heute fort, aber eher mit der Mutterschaft», gibt Francesca Mariani zu bedenken.

Gibt es Biografien, die den Übersetzerinnen in der Fülle der Lebensgeschichten haften geblieben sind? Ja, Frau Landammann Anna Barbara Zellweger-Zuberbühler aus Ausserrhoden beispielsweise, die bereits im 18. Jahrhundert auf Augenhöhe mit ihrem Mann, einem Diplomaten im Dienst der Schweiz, geschildert wird. Sie war bei der Krönung Napoleons zugegen und starb bei der Geburt des 17. Kindes im 22. Ehejahr. Unvergesslich auch Marie Boehlen, die sich nach einer schwierigen Kindheit im Berner Oberland durchkämpfte, studierte, erste Jugendanwältin des Kantons Bern und eine treibende Kraft für die Durchsetzung der ersten nationalen Abstimmung zum Frauenstimm- und Wahlrecht Ende der 1950er-Jahre wurde.

«Diese Frauen machen Mut, sich für sich selbst und andere einzusetzen», finden die Übersetzerinnen, welche die insgesamt 540 dreisprachigen Kurzbiografien auf dieser Webseite möglich gemacht haben. Kurzbiografien von Frauen, denen wir mehr Chancengerechtigkeit verdanken – und die nun für unsere eigenen Entdeckungen hier zur Verfügung stehen. LH