Hélène Rey

Nach ihrem Abschluss als Hebamme 1842 weigert sich die ledige, aus dem Val d'Illiez stammende Hélène Rey, weiter unter dem Dach ihrer Eltern zu leben. Weil sie nicht zur Messe geht, macht sie sich nach Auffassung des Priors Gillabert verdächtig. Deshalb wird sie beim Regierungsrat der Ausschweifung beschuldigt, der ihr am 10. Juni 1845 das Patent entzieht. Ohne je zu erfahren, weshalb sie mit einem Berufsverbot belegt wird, verliert sie ihr karges Einkommen und sieht sich der öffentlichen Anprangerung ausgesetzt. Auf Betreiben des Geistlichen reicht der Gemeinderat Klage gegen sie wegen lasterhafter Sitten, Lüsternheit und Kindsmord ein. Während des im April 1847 eröffneten Prozesses trägt aber keiner der Zeugen dazu bei, irgendeine dieser Anschuldigungen zu beweisen. Der Sonderbundskrieg hindert das Zendengericht Monthey an der Urteilsverkündung. Ihr Anwalt, der sich Ende 1848 erneut für sie einsetzt, weist nach, dass sie – nicht unterwürfig genug – zum Opfer der zivilen und religiösen Behörden geworden ist und der eigentliche Grund für den Entzug ihres Patents aufgrund ihrer liberalen Gesinnung erfolgt ist. Die Genehmigung zur Ausübung ihrer Hebammentätigkeit wird ihr wieder erteilt. Als aussergewöhnliche Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts strebt Hélène Rey nach Autonomie, akzeptiert keine männliche Vormundschaft, weigert sich, ohne Beweise verurteilt zu werden und kämpft entschlossen für die Anerkennung ihrer Rechte.
Marie-France Vouilloz Burnier

Weitere Informationen:
Archives de la commune de Monthey H3235 : Procédure de Louis Pignat, grand châtelain du district de Monthey contre Hélène Rey du Val d’Illiez (16 avril 1847-4 août 1847).
Marie-France Vouilloz Burnier, L’accouchement entre tradition et modernité. Naître en Valais au XIXe siècle. Sierre, Monographic, 1995.
Marie-France Vouilloz Burnier, « Hélène Rey, sage-femme interdite de pratique » dans Marie-France Vouilloz Burnier et Barbara Guntern Anthamatten (sous la dir. de), Valaisannes d’hier et d’aujourd’hui. La longue marche vers l’égalité, Sion : Éditions Monographic ; Rotten Verlag, 2003, p. 69-73.